de Botton: The Course of Love

Zusammenfassung

Der Roman The Course of Love (dt.: Der Lauf der Liebe) von Alain de Botton beschäftigt sich mit dem Vorspiel, Beginn und Werdegang zweier Menschen, die zueinander finden. Die Erzählung findet umsichtig statt, beleuchtet also die verschiedenen psychologischen Hinter- und Beweggründe der Protagonisten und konzentriert sich vorwiegend auf das bestenfalls suboptimale Miteinander.

Der Roman ist unterhaltsam, auf eine eigentümliche Art spannend und auf vielen Ebenen lehrreich, ohne aufzuziehen oder zu predigen.
Die Lektüre empfehle ich grundsätzlich jedem, insbesondere aber Paaren.

5 von 5 Sternen

Hintergrund

Vor ungefähr einem Jahr bin ich auf YouTube über den Kanal The School of Life  gestolpert, der mit zahlreichen unterhaltsamen, intelligenten und mitunter auch augenöffnenden oder perspektivenwechselnden Inhalten glänzte. Es dauerte nicht allzu lange, bis ich mich entschied, mit in die Bücher der School of Life (offizielle Internetzpräsenz) einzulesen, die ich durch die Bank weg nur empfehlen kann und sehr schätze.

Alain de Botton  ist der Mitgründer der School of Life, Schriftsteller und Fernsehproduzent. Er wurde 1969 in der Schweiz geboren, studierte Geschichtswissenschaften und Philosopie.
Die School of Life  (wikipedia) gründete er in London (und zahlreichen anderen internationalen Städten) gemeinsam mit anderen Autoren, Künstlern und Lehrern im Jahre 2008. Im März 2009 gründete er das Project Living Architecture, das Ferienhäuser an die Allgemeinheit vermietet, die von führenden Architekten und Künstlern gebaut wurden.
Seine zahlreichen Werke haben sich millionenfach verkauft.

Inhalt

Rabih ist ein hoffnungsloser Romantiker und lebt in Großbritannien. Seine Vergangenheit zeichnet sich durch Verlust, sein Liebesleben durch unglückliche emotionale Fixierungen (die selten über realitätsferne Projektionen hinausgehen) aus, bis er während eines Bauprojekts, das er betreut, auf Kirsten trifft, die sich ihm ebenso zögerlich und schüchtern öffnet, wie er sich herantastet. Nach anfänglichen Hürden ihrer beiderseitigen Unsicherheit kommen sie schließlich doch noch zusammen.

Die erste Zeit, die die beiden miteinander verbringen und einander näherkommen besteht aus Liebe, Verständnis und Sex. Es dauert nicht lange, bis er ihr während einer Zugfahrt aus einer Laune heraus einen Heiratsantrag macht und sie diesem zustimmt.
Sie heiraten, kaufen gemeinsam eine Wohnung und haben schon den ersten existentiellen Ehestreit, weil sie sich im Möbelhaus nicht auf eine Form von Trinkgläsern einigen können. Sie verletzen einander ungewollt und können das daraus folgende Schmollen und Verletztsein nur selten verstehen.
Den ersten ernsthaften Knick erhält die Ehe, als Kirsten klarwird, daß Rabih ein Auge auf eine junge Kellnerin geworfen hat und sich von dieser angezogen fühlt. Obwohl nichts passiert und Rabih sich von der jungen Frau fernhält, hat das in Kirstens Selbstverständnis Folgen.
Als die beiden arbeitsbedingt einander seltener sehen, verfallen sie in alte Gewohnheiten aus der Zeit vor der Ehe, die ein Miteinander nicht vereinfachen.

Als die beiden ein Wochenende in Prag verbringen, verliert Rabih sein Funktelefon und kann nicht anders, als seiner Gattin die Schuld zu geben. Dieses Schuldzuweisen ist ein Phänomen, das sich häuft und dementsprechend auf die Ehe auswirkt.
Ihre Freunde heiraten ebenfalls, sind aber zum Teil wohlhabender, was ihr Miteinander ebenfalls belastet, weil sie mit einem materiellen Mehr liebäugelt und er sich notgedrungen inadäquat & minderwertig fühlt. Daraufhin versucht er, sie zu ändern und lehren, was er ungeschickt anstellt und sie alles andere als glücklich macht.

Die beiden werden Eltern, bekommen erst eine Tochter, dann einen Sohn, geben beiden eine möglichst glückliche Kindheit und spielen die Rolle liebender, glücklicher Eltern, während die Ehe hinter verschlossenen Türen immer mehr abkühlt.
Auf einer Tagung in Berlin trifft Rabih auf eine Amerikanerin, mit der er im Bett landet. Während sie ihm anschließend nachhängt, besinnt er sich auf seine Ehe, die zu zerbrechen droht.
Die beiden gehen in Paartherapie, um die Partnerschaft zu retten, den Partner zu verstehen und eine konstruktive Kommunikationsbasis zu erarbeiten.

Stärken

Die erzählte Geschichte ist hinreichend allgemeingültig, damit wohl die meisten Leser sich an etlichen Stellen selbst wiedererkennen können. Dadurch, daß die Erzählung naturgemäß derlei Situationen mit einigen inneren Abstand präsentieren, gewinnt man unter Umständen eine neue Perspektive (und vielleicht auch Wertschätzung) für die eigene Situation.
Wenn man sich in einigen der Situationen mit einem der beiden Protagonisten identifizieren kann, erhält man auch die Möglichkeit, die andere Seite zu verstehen – und über Transfer auf das eigene Leben gewinnbringend zu übertragen.

de Botton verdeutlicht, daß eine Partnerschaft sehr viel mehr ist als einander Kennenlernen und Verliebtsein, daß eine Partnerschaft viele düstere Zeiten und Seiten hat und daß die Erwartung eines problemfreien oder gar -armen Lebens & Miteinanders nur Leid & Enttäuschung nach sich zieht.
Eine Partnerschaft oder Ehe ist mehr als die Antwort auf die Frage, wie man sich kennengelernt hat. Es liegt auf der Hand, daß die Sorge oder Angst, allein zu sein & zu bleiben, nicht der beste Grund ist, eine Beziehung einzugehen.

Ein wichtiger Punkt einer funktionierenden Beziehung ist und bleibt eine funktionierende Kommunikation, die fast immer unterschätzt wird. Und selten angemessen angestrebt oder gepflegt wird. Dieser Punkt wird immer wieder, ohne daß die Wiederholung langweilt oder auf die Nerven geht, aufgegriffen und erläutert. Zu Recht.
Ebenso wichtig sind Wertschätzung, Dankbarkeit und Verständnis, was Menschen naturgegeben schwerfällt. Durch die Unterstreichung und Erläuterungen dieser natürlichen Charakterschwäche hat der geneigte Leser die Möglichkeit, sich selbst zu verstehen, an sich zu arbeiten und ein Gespür für den Partner zu entwickeln.

Etwas, was in vielen anderen Büchern zum Thema Kommunikation, Wahrnehmung und zwischenmenschliches Miteinander viel zu kurz kommt, ist eine Vieldeutigkeit und Ambivalenz, wie man verschiedene Beziehungsaspekte und Interaktionen bewerten kann.
Alan de Botton zeigt anhand von Beispielen, wie unterschiedlich verschiedene Handlungen bewertet werden können. Durch diese differenzierten Perspektiven kann man das Agieren der Mitmenschen unter Umständen besser deuten & verstehen.

Schwächen

Die einzige Schwäche, auf die ich mein Finger legen kann, ist der Mangel an angebotenen Lösungsansätzen. Auf der anderen Seite ist dies sicherlich auch ein Ding der Unmöglichkeit, was in der Natur der Dinge liegt.

Fazit

Der Roman ist unterhaltsam und angenehm zu lesen, auch wenn er nur wenig Spannung zu bieten hat. Tatsächlich ist die Geschichte mitsamt den regelmäßig eingefügten Kommentaren und Beobachtungen mehr eine Charakter- und Partnerschaftsstudie als alles andere und bietet die Möglichkeit, daraus für die eigenen Beziehungen (nicht zwingenderweise nur Ehe, Partnerschaft oder Liebelei, sondern auch Freund- und Bekanntschaften) und den eigenen Charakterentwicklung zu lernen.
Wie eingangs schon beschrieben, sehr lesenswert. 👍

Daten

de Botton, Alain: The Course of Love
©2016 Penguin Random House UK
216 Seiten
ISBN-13: 978-0-241-96212-1