Enders: Darm mit Charme

Zusammenfassung

symbol_booksenders - darm mit charme (mini)Mit dem Sachbuch Darm mit Charme tue ich mich ausgesprochen schwer. Einerseits ist es ein Füllhorn an Erkenntnissen und Informationen, die nicht nur hilfreich, sondern auch hochinteressant sind, auf der anderen Seite ist die Lektüre kaum zu ertragen.

Während es an dem Inhalt (außer einigen wenigen grob fahrlässigen Logik- & Denkfehlern) nichts zu bemängeln gibt, ist es mir regelrecht eine Qual, sich durch den infantilen, krampfhaft lustig-putzigen Schreibstil zu kämpfen.

Das Buch ist sehr empfehlenswert, nur sollte man sich vorher darüber im Klaren sein, daß abseits der Informationen der geistige Anspruch an den Leser unterirdisch grottig ist.

5 von 5 Sterne

Inhaltlich: 5 von 5 Sternen

1 von 5 Sternen

Präsentation: 1 von 5 Sternen

Inhalt

Selbstverständlich darf einleitend die Erläuterung, was alles zum Verdauungstrakt gehört und welche Rolle übernimmt, nicht fehlen. Darauf folgen logischerweise einige Worte zur Ernährung, dann eine kurze Aufschlüsselung zu Allergien und Unverträglichkeiten.
Nicht gänzlich losgelöst davon ist der zweite Part, in dem es um das Nervensystem geht und welche anderen Organe, deren Rolle man bei der Verdauung zu übersehen neigt; ferner werden etliche Verdauungskomplikationen aufgegriffen.
Schlußendlich kommt die Autorin auf die Darmflora zu sprechen und warum es wichtig ist, daß der menschliche Körper ein Sammelsurium an Bakterien darstellt, ohne deren Beteiligung und Hilfe der Mensch kaum überleben könnte.

 

Stärken

Inhaltlich ist Darm mit Charme meiner Meinung nach zweifelsfrei ein Juwel. Für meine Begriffe ist das Sachbuch in dieser Hinsicht augenöffnend und kann die eigene Sicht- und Verhaltensweise im Umgang mit Essen oder Antibiotika und der eigenen Verdauung nur zum Guten hin beeinflussen.

Obwohl es eine Stärke ist hätte sein können, daß die Autorin auf einen wissenschaftlichen Schreibstil zugunsten der Verständlichkeit weitgehend verzichtet hat, ist sie viel zu weit über das Ziel hinausgeschossen. Natürlich liest sich eine trockene Abhandlung wesentlich unangenehmer und verkauft sich sicherlich auch nicht im Entferntesten so gut, aber von dem einen Extrem hätten weder Autorin noch Lektoren in das andere fallen müssen. Doch mehr dazu unter Schwächen.

 

Schwächen

Für jeden überflüssigen Anglizismus, für jeden denglischen Ausdruck, für jeden grenzdebilen Neologismus (und all derer gibt es viele) sollte jemand (das übernehme ich auch gerne selbst) sowohl der Autorin als auch sämtlichen beteiligten Lektorinnen und Lektoren mit einem Rohrstock kräftig auf die Fingerkuppen schlagen, wenn es nach mir geht. 😬

Die nächste Schwäche geht in eine ähnliche Richtung, ist aber eine andere Baustelle; der Schreibstil der Autorin erzeugt in mir das Bild einer geschwätzigen inselbegabten Kindergärtnerin mit Peter-Pan-Syndrom auf Crack, die mit Popkulturverweisen versucht, „cool“ und witzig zu sein, weil sie zuviel Sendung mit der Maus geguckt hat. 😠

Ebenfalls erschreckend finde ich, daß die Autorin mitunter abenteuerliche Schlußfolgerungen als valide Erkenntnisse präsentiert. Daß sich der Verdauungstrakt eines Menschen auf dessen Psyche auswirkt, zweifele ich nicht an, aber das damit zu begründen, daß es einer Freundin während einer Magendarmgrippe schlecht ging, ist so ein hanebüchener Blödsinn wie zu behaupten, daß der Daumen das Zentrum des Glücksgefühls sei, denn wenn man sich mit einem Hammer versehentlich auf den Daumen schlägt, ist man für eine Weile überlicherweise recht unglücklich. 😩
Der Blödsinn über die langzeitgeschädigten Kaiserschnittgeborenen ist ein weiterer Punkt von etlichen weiteren, die irreführend als haltbare Tatsache präsentiert wird.

Der Preis für das e-Buch ist meiner Meinung nach völlig überzogen & eine Frechheit. Ein e-Buch wird einmal gesetzt, wird nicht gedruckt, wird nicht gelagert, wird nicht mit der Post verschickt. Man kann ein e-Buch, nachdem es einmal erstellt worden ist, praktisch unendlich oft verkaufen, ohne daß dabei nennenswerte Kosten entstehen.
Da lobe ich mir den englischsprachigen Büchermarkt, auf dem e-Bücher deutlich weniger als die gedruckten Exemplare kosten und sich das für alle Beteiligten lohnt. Des Kunden Portemonnaie wird ebenso geschont wie die Umwelt (Papierherstellung, logistische Verteilung der einzelnen Verkaufseinheiten) und der Verlag verdient an jedem Verkauf ohne einen nennenswerten Mehraufwand an Arbeit.
Bei solch unverhältnismäßigen Preisstrategien wundert es mich nicht, wenn Interessenten sogenannte Raubkopien in Erwägung ziehen.

 

Daten

Giulia Enders: Darm mit Charme
© 2014 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
ISBN 978-3-8437-0711-4
289 Seiten

 

Fazit

Inhaltlich hat Enders eine Meisterleistung geliefert und ich kann das Sachbuch nur wärmstens empfehlen. Stilistisch gesehen rate ich dringend von der Lektüre ab, außer Sie haben eine stark infantile Ader und lassen gerne mit sich reden, als ob Sie geistig minderbemittelt wären.

Meine Meinung über den narzißtischen Geltungs- und Profilierungshunger der Autorin hat mit dem Buch zwar wenig zu tun, will dank der Titelbildgestaltung und etlicher Passagen innerhalb des Buches aber dennoch angedeutet sein.

Unter dem Strich glaube ich, daß man in den sauren Apfel beißen und das Buch dennoch lesen sollte, weil die Informationen zu interessant und zu wichtig sind, als daß man das Buch mit der teilweise hartverdienten Nichtachtung abstrafen sollte.